Es gibt diese Dinge im Leben, die man unbedingt tun möchte, obwohl
man sich nicht sonderlich sicher ist, ob sie eine gute Idee sind. Es kommt dann
vor, dass man jeglichen gut gemeinten Rat ablehnt, schlagkräftige
Gegenargumenten beinhart ignoriert und mit sturer Überzeugung einfach das
macht, was man sich einbildet.Oft haben die anderen recht. Aber manchmal
nicht.
"Du kannst jetzt so nicht Rad fahren,
du hast 12 Promille! - Siiha gann ih noch, ih bin dob fid!"
--> 600 Euro Strafe wegen betrunkenem Radfahren.
(Nicht, dass ich freiwillig Rad fahren würde in Wien aber ich hab
von solchen Leuten gehört.)
"Spinnst du jetzt? Schreib dem niiicht,
der ist ein kompletter Oarsch! - Äääh, nein, ich bin anders und besonders und
für mich wird er sich ändern und uuuh diese Muskeln!"
--> Überraschende große Enttäuschung, dramatische
Liebeskummerszenen, Schokolade und Tränen.
(Nicht, dass ich sowas sagen würde aber man munkelt solche
Gespräche finden statt. Oft.)
"Nein, ehrlich, arbeitets nicht auf
einem Festival, die Leute dort sind irre und spucken und schimpfen und es ist
ganz schrecklich. - Doooooch, das geht schon, das wird super."
... Hab ich gesagt, Schlafsack und gatschfeste Schuhe eingepackt
und bin mit Lilli am FM4 Frequency angetanzt. Nachdem vor zwei Wochen noch saharaartige
Temperaturen herrschten, standen jetzt idealerweise Regen, Schlamm und 15 Grad
auf dem Programm. Ein Festival macht schließlich auch keinen Spaß, wenn man
nach zehn Minuten auf dem Gelände noch die Farbe der Schuhe erkennen kann.
Nach der ersten Sumpfwanderung ging's gleich ans Arbeiten. Wir
waren schließlich nicht zum Vergnügen dort (eigentlich schon), sondern um den
durstigen Festivalbesuchern unverschämt viel Geld für ein paar Bier abzunehmen.
Praktischerweise durften wir das mit direktem Blick auf eine der beiden Bühnen
tun und hatten so die Gelegenheit, neben dem Ausschenken einen Act nach dem
anderen anzusehen/hören. So viele Bands hab ich noch nie auf einem Festival
gesehen, die eine oder andere hätte ich lieber verpasst und manchmal wollt ich
mir auch nur die Ohren zuhalten aber die Chefin meinte, das sieht nicht so gut
aus.
Meine Top-Five Acts:
- Darwin
Deez (verrückt ohne Starallüren)
- The
Offspring (ein Klassiker eben)
- Linkin
Park (der Gute sieht zwar aus als bräuchte er dringend ein paar Stündchen extra Schlaf, trotzdem ein starker Auftritt)
- Casper
- Sigma (im Nightpark)
Die Leute waren größtenteils ganz reizend, oftmals in einem geistigen Schwebezustand, nach Alkoholisierungsgrad einzuteilen in die Kategorien: „betrunken“ ("eingspritzt"), „heftig betrunken“ ("bum zua") und „jenseits von Gut und Böse“ ("komplett im Eck"). Angesprochen wurde man stets charmant und höflich, freundliche Bitten wurden geäußert, liebevolle Befehle erteilt:
„Chefin, wie schau ma aus, host a Bier fia
mi?“
„He Puppal,
a Hoibe bitte!“
„Ein Märzen, Schatzi!“
„Wos kost des Bier? Und dei Telefonnumma?“
Und während der Umgang mit den Gästen entspannt und amüsant war,
war die Zusammenarbeit mit den allesamt deutschen Chefs manchmal nicht ganz
einfach. Während der eine die österreichische Trinkfestigkeit mit der deutschen
verwechselt („Ja also nee, jede von euch
trinkt keine ganze Weinschorle, da seid ihr mir ja gleich besoffen!“) und
paranoide Ängste vor Spritzertrinkkontrolleuren aufweist („Ihr könnt das doch nicht so auffällig trinken hier! Macht das doch ma
anders!“ – Ähh, soll ich mich am Boden legen mit dem Becher oder wie stellst du
dir das vor?) lässt sich die andere ein bis zwölf (mitgebrachte) Bier
einschenken, krabbelt auf allen vieren in der Bar rum (mit gut und gerne 50
Jahren) und weint tatsächlich bittere Krokodilstränen weil sie Linkin Park
nicht sehen kann. Soo gemein, das war so auch
gar nicht ausgemacht, neee!
Während die Chefs also eher ein sehr spezielles Verhalten an den
Tag legten, waren unsere Kollegen nicht nur sehr nett und gut drauf sondern
genauso motiviert zum Feiern wie wir. Sogar die Deutschen unter ihnen! (Ich hoffe sie lesen dieses hohe Kompliment!) Gemeinsam haben wir es an zwei von drei Tagen geschafft, nach vielen Stunden
auf den Beinen noch in den Nightpark rüber zu wackeln, die schmerzenden Füße
auszublenden (wegzutrinken) und ein bisschen zu shaken. Hilfreich bei jenen
Aktionen war das von uns heiß geliebte Mitarbeiterband, der magische Türöffner,
das Ticket vorbei an jedem Türsteher und Securitymenschen. „He du darfst da nicht rein, das ist Backstage!“ *Zauberband herzeigen*
„Passt, geh rein.“ Frequency ohne Zauberband? Ab jetzt unvorstellbar.
Die Musik im Nightpark war wie erwartet dröhnend und laut und
genau das richtige, wenn man nach einem langen Tag einfach mit keinem mehr
reden will sondern nur noch in der zum Beat pulsierenden Menge versinken
möchte. Es ist schon ein besonderes Gefühl, in so einer riesigen Halle zu
stehen, umringt von Menschen, die alle nur dasselbe wollen, nur dasselbe
denken, dasselbe hören und fühlen. Und dann gibt es diese Sache, wo alle
gleichzeitig in die Knie gehen, auf eine Ebene, keiner steht mehr, die Musik
baut sich auf und dann – zack - der Beat
dropt und tausend Menschen springen im selben Moment auf, alle tanzen und
hüpfen wie Verrückte, die Halle erfüllt sich mit Leben, mit Energie, mit Kraft
und jeder einzelne kann es spüren. Es ist schwer zu erklären. Sowas muss man
schon selbst mal ausprobieren, es klingt vielleicht seltsam, ist aber echt beeindruckend.
Alles in allem, war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung
auf das Festival zu fahren. Wir haben gefeiert, getanzt, tolle Leute kennengelernt und auch noch Geld verdient. Die
Bands waren spitze, ein Bad in der bitterkalten und mittelmäßig sauberen Traisen
sehr erfrischend und das ganze Frequency 2015 eine Erfahrung, die ich nicht
missen will!
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